IRAS

Ingenieurgemeinschaft
Lung & Dr. Müsken+Partner Berlin / Stuttgart
Beratende Ingenieure

Immissions Reduzierte AnlagenSteuerung (IRAS)

PC-gestütztes Instrument zur Charakterisierung von immissionsrelevanten Ausbreitungssituationen und Reduzierung der Geruchs- und Keimfrachten durch Einflußnahme auf die Anlagensteuerung.

1. Sachstand

Die Kompostierung von nativ organischen Abfällen ist in der Regel mit der Emission von belästigenden Gerüchen und gefährdenden Keimen verbunden. Der Stand der Abluftfassungs- und Filtertechnik ermöglicht eine weitgehende Beseitigung der Emissionen von Gerüchen und Keimen durch Kapselung der Anlagen und z.T. mehrstufige Abluftreinigungsverfahren. Dennoch gibt es immer wieder Probleme infolge ungünstiger Standorte oder aufgrund mangelhafter Betriebsführung. Diese Probleme spiegeln sich auf der Seite der betroffenen Anwohner in erhöhten Geruchs- und Keimbelastungen wider.Immissionen von Gerüchen und Keimen werden im Vergleich mit den „traditionellen“ Luftschadstoffen gesondert beurteilt, da sie lediglich belästigenden Charakter aufweisen bzw. kein festumrissenes Gefahrenpotential beinhalten. Bei Geruchsimmissionen wird im allgemeinen die Überschreitungshäufigkeit vorgegebener Schwellenwerte als Kenngröße für die Belastungssituation herangezogen. Für das Auftreten von Spitzenkonzentrationen spielen neben betrieblichen Maßnahmen bzw. Betriebszuständen vor allem die meteorologischen Verhältnisse am Anlagenstandort eine entscheidende Rolle. So kann eine im Regelfall ausreichende Verwirbelung und damit Verdünnung von Geruchsstoffen und Keimemissionen bei stabilen Wetterlagen drastisch reduziert sein, so dass stark erhöhte Immissionen auch in weiteren Entfernungen die Folge sind. Dies gilt im besonderen für Kompostwerke in unstrukturiertem, unbebautem Gelände sowie für Anlagen in Hanglagen, die von sogenannten Kaltluftabflüssen betroffen sind.Immissionsminderungen lassen sich grundsätzlich durch 4 verschiedene Verfahrensweisen erzielen:

  1. An der Quelle durch Abluftreinigungseinrichtungen
  2. Zeitliche und ggf. auch räumliche Änderung der Emissionsverteilung
  3. Umlenkung der wirksamen Strömungsfelder / Abluftfahnenüberhöhung
  4. Am Immissionsort durch Belüftungsanlagen mit Schadstoff-Filterung o. ä.

Die im folgenden beschriebene immissionsreduzierte Anlagensteuerung gründet sich ausschließlich auf die 2. Verfahrensweise, wobei Kombinationen mit 1. und 3. möglich sind.

2. Problemdarstellung und Zielsetzung

IRAS 1

Die Immissionssituation im Umfeld einer Kompostanlage wird in der Hauptsache durch drei Größen bestimmt: Quellstärke des Werkes Meteorologie am Anlagenstandort Gebäudeanordnung und Topografie Insbesondere bei Schwachwind-Wetterlagen mit stabiler atmosphärischer Schichtung (AK-Klasse I und II nach KLUG/MANIER) ergeben sich leeseitig Immissionsprobleme. Das heißt, die Häufigkeit wahrnehmbarer Gerüche wird vorwiegend von diesen Wetterlagen bestimmt.
Liegen Kompostwerke an geruchssensiblen Standorten, wie in nächster Nähe von Wohnbebauung in ebenem Terrain mit wenig Strömungshindernissen, Vegetation etc. so ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es bei austauscharmen Wetterlagen zu Geruchsbeschwerden kommt, selbst wenn in der Anlage keine nennenswerten Betriebsstörungen auftreten.
Als erwartetes Resultat der meteorologie-gesteuerten Betriebsführung sollte sich eine Änderung des Immissionsprofils ergeben, wie es nachfolgend schematisch dargestellt ist.

Es handelt sich um eine Verlagerung der Immissionen vom bewohnten Bereich in unbewohnte, unkritische Gebiete. Die für den immissionskritischen Zeitraum kurzzeitig ausgesetzten oder geänderten Betriebsaktivitäten müssen nach- oder vorgearbeitet werden. Die Gesamtemission über einen längeren Zeitraum ist bei einer meteorologiegesteuerten Anlage dieselbe wie bei einer „normalen“ Anlage, nur dass eben das Immissionsprofil im Umfeld der Anlage verändert werden kann. Das Konzept dieser reinen Verlagerung ist legitimiert durch die Tatsache, dass die auf Feld, Wald und Wiese „verschobenen“ Gerüche und Keime dort keinen Schaden anrichten – Gerüche gehen ins Leere, Keime werden durch die Bodenökolgie eliminiert; bei „echten“ Schadstoffen wie z. B. SO2, NOx, AOX o. ä. wäre dieser Ansatz unhaltbar.
Die Zielsetzung der immissionsreduzierten Anlagensteuerung IRAS ist als Teilmaßnahme einer verbesserten Betriebsführung im Sinne der „Besten Verfügbaren Technik“ nach der IVU-Richtlinie zu verstehen, die eine zusätzliche, spürbare Reduzierung von Geruchs- und Keimfrachten nur für den Bedarfsfall vorsieht. Damit sollen zusätzliche Investitionsmaßnahmen im Bereich der Verbesserung der Abluftreinigungstechnik, die in der Regel in Millionenhöhe liegen, bewußt vermieden werden. Durch eine Abluftreinigungseinrichtung werden allgemein die Immissionen vermindert, d. h. hier für ein Anlagenumfeld, das zu 80 – 90 % unbebaut ist und in dem eigentlich keine Reduzierung erforderlich ist.

Das Ziel der immissionsreduzierten Anlagensteuerung IRAS lässt sich somit wie folgt kurz beschreiben:
Bei kritischen Ausbreitungssituationen ist die Quellstärke des Werkes vorübergehend zu reduzieren.

3. Ermittlung der immissionskritischen Zustände

Immissionskritische Zustände sind als Funktion der Stabilität der Atmosphäre und der daraus resultierenden Reichweite der emittierten Frachten von Gerüchen, Keimen und Pilzsporen anzusehen. Eine Erfassung immissionskritischer Zustände ist mit den bisher auf Kompostierungsanlagen verwendeten Wetterstationen nur bedingt möglich, da lediglich Windrichtung und -geschwindigkeit registriert werden. Die Wetterstation signalisiert abhängig vom Differenzierungsgrad die folgenden Anteile der Jahresstunden als „kritische“ Situationen:

  1. nur Windrichtungsanzeige: ca. 30 – 40 %
  2. Windrichtung und –geschwindigkeit: ca. 15 – 25 %

Auch die Anzeige geringer Windgeschwindigkeiten kennzeichnet noch nicht hinreichend das tatsächliche Immissionsrisiko, da die Stabilität der Atmosphäre nicht mit erfasst wird. Die von einfachen Wetterwarten angezeigten „Warnhinweise“ sind also zu grob und zu häufig, als dass der Werksbetrieb organisatorisch und technisch konsequent darauf reagieren könnte.
Die Verwendung eines Ultraschallanemometers, das auch die Stabilität der Atmosphäre erfasst, reduziert diese Ereignisse auf den für unsere Breiten typischen Bereich von 5 – 10 %. Damit ist die Voraussetzung gegeben, entsprechende Handlungsanweisungen zur Reduzierung der Geruchs- bzw. Keimemissionen zu erteilten bzw. diese automatisch auszulösen.
Zur Ermittlung der immissionskritischen Zustände wird das Winddatenerfassungssystem und Online-Geruchsausbreitungsprogramm OdorSonic verwendet. Da dieses System vor Ort unter Berücksichtigung der Standortgegebenheiten kalibrierfähig ist, können damit auch kritische Ausbreitungssituationen auf der Grundlage anlagenspezifischer Betriebszustände sicher erkannt werden.

4. Erfassung der immissionskritischen Wetterlagen

IRAS 2Die sichere Immissionsberechnung insbesondere für austauscharme Ausbreitungssituationen basiert auf dem Einsatz eines Ultraschallanemometers, das neben dem dreidimensionalen Windvektor und der Lufttemperatur auch Informationen zum Turbulenzspektrum der Atmosphäre liefert. Damit können alle für die Ausbreitung von Geruchsstoffen wichtigen atmosphärischen Einflussgrößen automatisch gemessen und archiviert werden. Der Sensor verfügt über keine beweglichen Teile. Er ist daher praktisch wartungsfrei und kann unter extremen Bedingungen noch arbeiten.

5. Berechnung der Emissionsreichweite

Das System OdorSonic liefert eine Diagnose der Immissionssituation im Einwirkungsbereich der Anlage. Hierbei werden für frei wählbare Zeiträume die Immissionsverteilungen auf der Grundlage der erfassten meteorologischen Daten automatisch berechnet und grafisch dargestellt. Das System ist modular aufgebaut und kann auch für topografisch komplexere Standorte angepasst werden. Die nachfolgende Abbildung zeigt exemplarisch das Immissionsfeld einer Geruchsfahne, wie sie sich vorzugsweise bei morgendlichen Inversionswetterlagen ausbildet.

Immifahne 1

Nach Auflösen der Inversion im Verlauf der ersten Stunden nach Sonnenaufgang erfolgt durch Sonneneinstrahlung ein Übergang zu stärkeren atmosphärischen Turbulenzen, welche die meteorologischen Ausbreitungsbedingungen entscheidend verändern und damit die Geruchsreichweite signifikant verkürzen, wie die nachfolgende Abbildung zeigt.

Immifahne 2

Der Vergleich der beiden Abbildungen zeigt daneben sehr deutlich, dass die Aufnahme von Windrichtung und –geschwindigkeit allein nicht ausreicht, um einen immissionskritischen Zustand als solchen zu identifizieren.

6. Prognosefähigkeit der IRAS

Das in der IRAS integrierte Programmsystem OdorSonic verfügt über eine Meteorologie-Datenbank, in der die gemessenen Wind- und Turbulenzgrößen abgespeichert werden. Auf Grundlage der registrierten Messdaten können damit für zurückliegende Zeiträume meteorologische Daten und die entsprechenden Immissionsfelder dargestellt werden, um die Plausibilität von Beschwerden zu überprüfen.
Weiterhin sind statistische Auswertungen möglich, um Aussagen über Auftrittshäufigkeiten und typische Zeiten immissionskritischer Zustände zu erhalten. Z. B. lassen sich Informationen in folgender Form gewinnen: Erhöhtes Auftreten von kritischen Ausbreitungssituationen in den Monaten a, b und c bevorzugt im Zeitraum von x bis y Uhr. Des weiteren können mit der ein- oder mehrjährigen meteorologischen Datenbasis Korrelationen zwischen den Anwohnerbeschwerden und der Häufigkeitsverteilung von Windgeschwindigkeit und Turbulenzintensität festgestellt werden, die weiterführend dazu beitragen, die Beschwerdesituationen einzuordnen und zu entschärfen. Zusätzlich lassen sich von unplausiblen Angaben bereinigte Beschwerdeprotokolle betroffener Anwohner zur Reichweitenbestimmung der Geruchsfahnen sowie als Belästigungsindex heranziehen. Die Beschwerdeprotokolle können über einen ausreichend langen Zeitraum statistisch ausgewertet werden, um einen signifikanten Rückgang der Belästigungssituation zu dokumentieren.
Nicht zuletzt lässt sich mit der standortbezogenen meteorologischen Statistik eine Immissionsprognose für den Einwirkungsbereich der Anlage erstellen, deren Aussagesicherheit gegenüber den üblicherweise verwendeten Ausbreitungsklassenstatistiken mit weit entlegenem Erhebungsort deutlich höher ist.

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